Die Rolle von Partnerschaften in der Entwicklung von Schulsystemen: praktische Erfahrungen von USB

Die Schule als System im Wandel

Die ukrainische Schule erinnert heute an eine große, träge Maschine: Sie bewegt sich formal nach vorne, stößt jedoch immer wieder auf Widerstand innerhalb des eigenen Systems. Das ist kein Zufall. Das staatliche Bildungswesen funktioniert weiterhin nach der Logik eines zentralisierten Monopolisten – einer Struktur, die daran gewöhnt ist, Regeln vorzugeben, statt sich an neue Bedingungen anzupassen.

Die Dezentralisierung hat den Bildungseinrichtungen zwar mehr Freiheit gebracht, gleichzeitig aber auch eine Verantwortung, auf die viele nicht vorbereitet waren.

Private Schulen verfügen dagegen über größere Handlungsspielräume, stehen jedoch vor einer anderen Herausforderung: Die Gesetzgebung zu ihrer Tätigkeit ist praktisch nicht geregelt. Jede Einrichtung entwickelt daher ihr eigenes System von Regeln und Managementansätzen. Das schafft Raum für Innovation, führt jedoch oft zu einer chaotischen Suche nach Lösungen im Stil von „Versuch und Irrtum“.

In einer solchen Situation werden langfristige Partnerschaften zwischen Schulen und externen Organisationen nicht nur wünschenswert – sie bestimmen die zukünftige Entwicklung der Bildung. Zusammenarbeit hilft, bewährte Modelle zu übernehmen, moderne Managementpraktiken einzuführen und eine Kultur der nachhaltigen Entwicklung aufzubauen.

Deshalb möchte USB ukrainischen Schulen die Schweizer Erfahrung vermitteln, in der Partnerschaften im Bildungsbereich nicht die Ausnahme, sondern ein zentrales Instrument der Transformation sind.

Drei Schulen, ein Ansatz: Aufbau interner Algorithmen statt kosmetischer Veränderungen

In rund einem Jahr Zusammenarbeit mit Switlana Manzer, Leiterin für Bildungs- und Integrationsprojekte der Asoziation USB, haben drei Schulen – zwei private und eine staatliche – begonnen, nicht nur einzelne Prozesse, sondern ihre gesamte Lernphilosophie zu verändern.

Die Ziele waren klar formuliert:
– effektive interne Arbeitsalgorithmen entwickeln, die dem gesamten Team verständlich sind;
– das Netzwerk externer Partnerschaften erweitern, damit Kinder reale Möglichkeiten der Sozialisation erhalten;
– die Grenzen des traditionellen Frontalunterrichts überwinden, der immer noch das Gesicht der ukrainischen Bildung prägt;
– Lernbedingungen schaffen, die praktische Erfahrung ermöglichen statt bloßer Theorie.

Diese Veränderungen sind von außen oft kaum sichtbar, doch gerade sie bilden das Fundament künftiger Transformationen. Laut Schulleitungen kam es in dieser Zeit zu einem Wandel der Managementansätze, neuer Formen der Zusammenarbeit mit Lehrkräften und einer Neubewertung dessen, was „qualitative Bildung“ überhaupt bedeutet.

Feedback, das Persönlichkeiten formt: ukrainisches und schweizerisches Modell

Ein zentrales Thema der Beratungen war der Unterschied in der Entwicklung des kindlichen Selbstwertgefühls in der Ukraine und in der Schweiz.

In der Ukraine erhält ein Kind Feedback im Grunde nur von zwei Instanzen: der Schule und den Eltern.
Oft senden beide gegensätzliche Signale:
Die Lehrkraft sagt „schlecht gemacht“, der Vater sagt „die Lehrkraft versteht nichts“.
Das Kind lebt so in einem ständigen Konflikt widersprüchlicher Regeln und Bewertungen.

Die Schweizer Praxis sieht anders aus. Schon früh bekommt ein Kind Rückmeldungen von mehreren Ebenen des sozialen Systems: ausserschulischen Lernprogrammen, Sportvereinen, freiwilligen Initiativen, kommunalen Jugenddiensten.
Dadurch hat es verschiedene Bezugspunkte, unterschiedliche Rollenmodelle und vielfältige Möglichkeiten der Sozialisation.

Genau dieser multidimensionale Ansatz wurde zum Schlüssel bei der Adaption schweizerischer Praktiken in der Zusammenarbeit mit ukrainischen Schulen

Nest Academy: ein Beispiel für das Modell der Zukunft

Einer der aussagekräftigsten Fälle ist die private Schule Nest Academy in Wyshnewe.

Die Zusammenarbeit begann mit einer pädagogischen Begleitung und einer Strategiesitzung: Wie lassen sich Schweizer Ansätze in das ukrainische Curriculum integrieren, sodass das System funktioniert, statt überfordert zu werden?

Zu den eingeführten Schwerpunkten gehören:
komplexe Leistungsbewertung: Fokus nicht nur auf Resultaten, sondern auf Prozessen, Kompetenzen und Stressresistenz;
frühe Berufsorientierung: Schüler*innen erhalten Zugang zu realen Arbeitsumgebungen;
Förderung des emotionalen Wohlbefindens.

Die Eltern der Nest Academy beteiligten sich aktiv an der Erstellung einer Liste von Berufen und Organisationen, in denen Kinder praktische Erfahrungen sammeln können.

Das Projekt „Schnuppertag“ befindet sich aufgrund der Kriegsbedingungen und schulischen Einschränkungen noch in der Umsetzung. Das Instrumentarium ist jedoch bereits entwickelt, und die Schulleitung ist bereit, das Format vollständig einzuführen, sobald es die Umstände erlauben.

Veränderung wird möglich, wenn die Schule kein geschlossenes System mehr ist

Die Ergebnisse der Zusammenarbeit zeigen: Selbst unter Bedingungen von Krieg, Instabilität und gesetzlichen Beschränkungen kann sich das ukrainische Bildungswesen weiterentwickeln.
Aber nur dann, wenn die Schulleitung bereit ist, sich externen Praktiken zu öffnen, mit Lehrkräften zu arbeiten, Partnerschaften aufzubauen und die Grenzen des Frontalunterrichts zu verlassen.

Wie der Direktor einer der Schulen, mit denen USB zusammenarbeitet, betont:

„Wir haben verstanden: Eine Schule kann sich nicht in Isolation entwickeln. Sobald wir uns für Partnerschaften geöffnet haben, haben wir Ressourcen erhalten, die wir allein niemals hätten schaffen können.“

Die Schweizer Erfahrung zeigt klar: Ein Kind entwickelt sich harmonisch nur dann, wenn es in einem Umfeld vielfältiger sozialer Verbindungen lebt.
Ukrainische Schulen beginnen ebenfalls, solche Möglichkeiten zu schaffen – und genau dieser Weg wird die Zukunft unseres Bildungssystems bestimmen.

Die Asoziation USB wird Bildungseinrichtungen auch weiterhin begleiten und ihnen helfen, nicht nur Innovationen einzuführen, sondern stabile, lebendige Bildungsökosysteme aufzubauen.

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