Das Leben durch die Linse
„Einen Föhn und eine Kamera habe ich mitgenommen, als ich vor dem Krieg floh“, erinnert sich Ljubow Kulyk heute lächelnd. Die Fotografie begleitet sie seit ihrer Kindheit: zuerst als Amateurin, dann während ihres Studiums, als Dozentin und bei der Entwicklung eigener Programme für Studierende. Mit 16 Jahren verkaufte sie bereits Fotos an lokale Publikationen und begann später, eigene Kurse zu leiten. Gleichzeitig erwarb Ljubow einen Abschluss in Informatik. Und vor dem Krieg arbeitete sie in diesem Bereich in Mykolajiw.
Fotografischer Experte
Lyubov bezeichnet sich selbst als „Fotoexpertin“. Sie ist überzeugt, dass es beim Unterrichten nicht darum geht, Geschmack aufzudrängen, sondern technisches Wissen zu vermitteln. „Ich kann Ratschläge zu Komposition, Licht oder Farbe geben, aber die Entscheidung liegt immer beim Fotografen. Meine Aufgabe ist es, die Werkzeuge bereitzustellen“, erklärt sie.
Lyubov fotografiert besonders gern Menschen: „Die Natur inspiriert, aber Menschen sind immer noch interessanter. Ihre Emotionen sind lebendig und einzigartig. Ich liebe es, diese Authentizität einzufangen: sei es Lachen oder Nostalgie.“

Ein Neuanfang in der Schweiz
Nach ihrem Umzug nach Bern begann Lyubov als Lehrerin in einem internationalen Unternehmen zu arbeiten, wo sie Englischunterricht gibt. Einen echten Entwicklungsschub erhielt sie jedoch von der ukrainischen Community. „Hier fängt jeder bei Null an. Aber ich spürte: Es gibt Bedarf, es gibt Motivation, es gibt Menschen, die Wissen brauchen. Und ich kann es weitergeben“, sagt sie. Das war der Anstoß für ein neues Fotoprojekt.
Kurse und Workshops für die ukrainische Community
Im September startet Lyubov die ersten Fotoworkshops in Bern. Sie richten sich sowohl an Profis als auch an Anfänger sowie an alle, die hochwertige Fotos für ihr eigenes Geschäft benötigen – Handarbeitsmeister, Visagisten oder Unternehmer.
Nach den Ferien startet ein vollwertiger Kurs: zweimal wöchentlich, jeweils mehrere Stunden. Theorie, Praxis, Arbeiten mit Licht, Belichtung, Farbe – und das alles mit konkreten Aufgaben und Beispielen. „Ich möchte, dass die Teilnehmer das Ergebnis sofort spüren und das Gelernte in ihrer Arbeit oder ihrem Hobby anwenden können“, sagt Lyubov.

Unterstützung und Inspiration
Die Kraft, ganz von vorne anzufangen, geben mir Familie und Gemeinschaft. Und auch eine neue Kamera, die mir ein Freund schenkte, nachdem die alte kaputtgegangen war. „Das war der Moment, in dem mir klar wurde: Ich bin nicht allein. Und dass ich weitermachen muss“, gibt sie zu.
Blick in die Zukunft
Es stehen nicht nur Fotokurse an. Lyubov träumt davon, einen größeren Raum für Ukrainer in der Schweiz zu schaffen: eine Community, die IT-Spezialisten vereint, ihnen psychologische und rechtliche Unterstützung bietet und kulturelle Initiativen ins Leben ruft. Doch der erste Schritt ist bereits getan – das Fotoobjektiv blickt wieder in die Zukunft.